Studium & Karriere
April 9, 2021

Durch ein Ehrenamt einen ganz anderen Karriereweg einschlagen: Felis Geschichte

AIESEC setzt sich nicht nur fĂŒr kulturellen Austausch ein und ermöglicht Auslandsabenteuer — die grĂ¶ĂŸte Studierendenorganisation ist viel mehr als das. 

Diese Erfahrung machte auch Feli, AIESEC Alumni aus Berlin. Lest selbst, wie Feli vom Mathestudium zu Anti-Diskriminierungsworkshops kam und wie sie ihren Beitrag fĂŒr eine offenere Bevölkerung leistet. 

 

Passion for Impact! So erlebte Feli ihren Studienanfang

Ich erinnere mich noch genau an die Stimmung in meiner ersten Vorlesung. Ich war damals 18 Jahre alt und bin voller Tatendrang direkt nach meiner Schule nach Berlin gezogen, um Mathematik zu studieren — etwas, von dem ich dachte, dass es meine grĂ¶ĂŸte Leidenschaft werden wĂŒrde. 

Die erste Vorlesung begann an einem Montagmorgen mit etwa 300 Studierenden — durch den großen Andrang saßen viele nicht nur auf dem Boden und auf den Treppen, sondern auch vor der offenen Hörsaal-TĂŒr in den GĂ€ngen, um sich heute gemeinsam mit Analysis zu beschĂ€ftigen. Ich hatte mir einen der wenigen SitzplĂ€tze gesichert, meinen Block ausgepackt und war bereit in mein neues Abenteuer zu starten. 

 

Berlin war fĂŒr mich eine komplett fremde Stadt zu diesem Zeitpunkt. Ich kannte niemanden und so ungern ich es zugeben wollte, hatte ich in den zwei Wochen vor dieser Vorlesung nicht einen einzigen sozialen Kontakt in irgendeiner Form. Ich hatte keine Freunde hier, keine Menschen, die ich besser kannte. 

FĂŒr den Rest der Woche hatte ich schon angefangen, Dinge zu planen, um auf der einen Seite Menschen kennenzulernen, aber auch um mich in irgendeiner Form ehrenamtlich zu engagieren. In meiner Heimat war ich jahrelang in einer politischen Jugendgruppe und auch sonst viel sozial aktiv und das wollte ich hier in Berlin unbedingt fortfĂŒhren.

 

Der erste Kontakt mit AIESEC

In dieser Vorlesung sollte ich die Chance dazu bekommen. Bevor wir uns der Analysis widmeten, gab es eine Hörsaalansprache durch drei Personen einer Studierendenorganisation — jedoch hatte ich bei “Wirtschaft” aufgehört zuzuhören. Erst als meine Sitznachbarin mich fragte, ob ich denn auch zum Infoabend gehen wĂŒrde, entschloss ich mich, dem Ganzen eine Chance zu geben. TatsĂ€chlich — so peinlich das klingen mag — nicht aus tieferen GrĂŒnden, sondern weil mich in dem Moment zum ersten Mal in meiner Zeit in Berlin ein Mensch gefragt hatte, ob ich etwas unternehmen möchte. 

Ich hatte keine Ahnung, dass diese Entscheidung mein komplettes Leben Àndern sollte. 

Eine Woche spĂ€ter war der Infoabend — meine Sitznachbarin sah ich dort zwar nicht mehr, aber ich fĂŒhlte mich durch die Idee von AIESEC irgendwie direkt angesprochen. Ich wollte Dinge tun, irgendwas bewegen, aktiv werden und die handlungsorientierte Vision und die praktischen Aufgaben bei AIESEC ĂŒberzeugten mich sofort. Ich ging durch BewerbungsgesprĂ€che und nur einen Monat spĂ€ter war ich als neues Mitglied auf meiner ersten AIESEC-Konferenz. 

 

Die erste Vorstandswahl: Feli's erste FĂŒhrungsposition in AIESEC

Sieben Monate nach meinem Beitritt in das Lokalkomitee der Berlin TU mit seinen ĂŒber 100 aktiven Mitgliedern bewarb ich mich fĂŒr den Vorstand des Komitees im kommenden Jahr. An diesem Punkt war ich bereits auf zehn Konferenzen gewesen und hatte mich tief eingearbeitet, sowohl in mein konkretes Team als auch in die generellen Strukturen. 

Ich fĂŒhlte mich unglaublich bereit fĂŒr meine neue Aufgabe. An einem warmen FrĂŒhlingsabend sollte ich dann diese Wahl gewinnen und so begann meine Vorbereitungsphase auf eine der anspruchsvollsten Aufgaben, die ich mir bis dahin je vorgenommen hatte.

 

In einer idealen Welt wĂŒrde ich nun ĂŒber meine wundervolle Reise und meine großen Erfolge nach dieser Wahl berichten. Ich wĂŒrde gerne davon erzĂ€hlen, dass wir ein großartiges Vorstandsteam gefunden hatten und unser Komitee durch eine wundervolle Zeit fĂŒhren konnten. Die Wahrheit ist: Ich war nicht bereit fĂŒr den Job. 

Ich hatte weder genug Wissen noch genug FĂŒhrungsfĂ€higkeiten, um einen Vorstand aus sieben Personen und ein Komitee bestehend aus ĂŒber 100 Personen zu leiten. Sieben Monate nach Beginn meiner Zeit als Vorstandsvorsitzende gab ich meinen Job auf. Eine meiner VizeprĂ€sidenten — meine Expertin fĂŒr Finanzen — ĂŒbernahm die Aufgabe und brachte Dinge besser zu Ende als ich es je gekonnt hĂ€tte.

 

Eine andere Welt von AIESEC erkunden

Die Wahrheit ist jedoch auch, dass das nicht das Ende meiner Zeit bei AIESEC war — ganz im Gegenteil. WĂ€hrend meiner Zeit als Vorstandsvorsitzende hatte ich an einem Seminar teilgenommen, bei dem mir beigebracht wurde, wie man Workshops und Seminare leiten könnte und von dem ersten Tag dieses ersten Seminars an wusste ich, dass ich das den Rest meines Lebens machen wĂŒrde. 

In den nĂ€chsten Monaten begann ich mehr und mehr Workshops und Seminare fĂŒr AIESEC zu trainieren. Ich fuhr zuerst durch ganz Deutschland, dann durch ganz Europa und schlussendlich bis nach Tokio, um auf den zahlreichen Konferenzen von AIESEC meine Workshops zu halten. Ich begann Konferenzen mitzuorganisieren, plante AblĂ€ufe und organisierte die einfĂŒhrenden Konferenzen fĂŒr neue Mitglieder. Ich fand meinen Platz und ich fand etwas, das ich nicht nur gut konnte, sondern mit dem ich meinen Beitrag leisten konnte.

 

Feli in Tokio
Hier bin ich in Tokio mit den lokalen Komitees von AIESEC Japan

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Workshops
Und hier bin ich in Wien auf einem Seminar fĂŒr verschiedene AIESEC-Mitglieder aus unterschiedlichen LĂ€ndern.

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Im April 2014 — etwa zwei Jahre nach Beginn meiner Zeit bei AIESEC — kam dann noch eine weitere Dimension dazu. Auf einer der emotionalsten Konferenzen auf der ich je war, fand mein queeres Coming-Out statt.

2016 fand meine Zeit bei AIESEC so langsam ihr Ende — ich hatte noch ein Jahr in einem Team fĂŒr AIESEC in Estland gearbeitet und war bereit, so langsam aus der Organisation auszuscheiden. Am Ende sollten es fast 100 Konferenzen sein, die ich mit AIESEC in acht verschiedenen LĂ€ndern besucht hatte. Hin und wieder gab ich noch Workshops fĂŒr die lokalen Komitees in meiner Stadt verabschiedete mich jedoch vom regulĂ€ren AlltagsgeschĂ€ft bei AIESEC.

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Nach AIESEC jetzt aktive AufklÀrung

Damit begann dann jedoch auch die aufregendste Zeit meines Lebens. Nachdem ich mehrere Jahre lang Workshops und Seminare in einem AIESEC-internen Kontext anbieten konnte, kam nun durch eine zufĂ€llige Gelegenheit die Möglichkeit auf, meine Workshops fĂŒr einen sozialen Zweck in meiner Uni einzusetzen. Im Juni 2016 gab ich die ersten Anti-Diskriminierungsworkshops meines Lebens. ZunĂ€chst nur vereinzelt, doch nach nur zwei Jahren wurde aus diesen vereinzelten Workshops ein wirkliches Projekt.

 

CSD 2016
Hier bin auch auf dem CSD in Berlin. Ab 2016 bewegte ich mich deutlich mehr in der queeren Szene.

 

Heute in 2021 habe ich dieses Projekt in meinen Lebensinhalt verwandelt. Aus einer einmaligen Anfrage wurde “Transformational Tomorrow” — mein persönliches AufklĂ€rungsprojekt und Beitrag zu “Living Diversity” (Einem der zentralen AIESEC-Werte). 

Mittlerweile fanden im Rahmen dieses AufklĂ€rungsprojekt ĂŒber 150 Workshops statt, die von insgesamt ĂŒber 2.500 Menschen besucht wurden. Aus Workshops, die sich ausschließlich an Studierende richteten, wurden Seminare fĂŒr die Verwaltungen von Museen, fĂŒr politische Gruppen oder fĂŒr Krankenhausleistungen. Mein persönlicher Beitrag fĂŒr ein besseres Morgen und fĂŒr eine bessere Welt fĂŒr queere Personen.

 

Workshops
Heute finden meine Workshops in den verschiedensten sozialen Einrichtungen ĂŒberall in Deutschland statt.

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AIESEC: Zeit des Lernens

Ich schaue oft auf meine Zeit bei AIESEC zurĂŒck. Viele Erinnerungen sind positiv — meine erste Konferenz oder meine Zeit in Tokio — und manche Erinnerungen sind schmerzhaft — mein fĂŒrchterlicher Streit mit meiner Vorstandskollegin bevor ich meine Aufgaben niederlegte. 

Ich habe viel richtig gemacht und viel falsch gemacht. AIESEC war fĂŒr mich eine Zeit des Lernens — vielleicht sogar mehr als ich mir manchmal eingestehen möchte. Es war die Zeit, in der ich gelernt habe, wo meine Grenzen liegen, aber auch wo ich meine Grenzen noch nicht im Ansatz erreicht hatte. Es war die Zeit, in der lernte, was wichtig fĂŒr mich ist.

Vor AIESEC hatte ich immer Lust, etwas zu bewegen — Hauptsache irgendwas. Mittlerweile weiß ich, was ich tun möchte. Ich habe heute eine konkrete Vision einer besseren Welt, an der ich selbst Tag fĂŒr Tag mitarbeiten kann. Ich habe ein Ziel.

AIESEC hat mir viele Fertigkeiten mit auf den Weg gegeben. Die Ausbildung, die ich erfahren habe fĂŒr das Leiten von Workshops und Seminaren ist der Kern meiner Arbeit heute. Aber vielmehr als das hat AIESEC mir einen Raum gegeben, in dem ich reflektieren konnte, wer ich sein will, was ich tun will und wie ich das tun will. 

 

Und all das, weil ich mich mit meiner Sitznachbarin im Hörsaal anfreunden wollte.


Feli hat Mathematik studiert und ist am Ende einen ganz anderen Weg eingegangen. Mit ihrer tĂ€glichen Arbeit trĂ€gt sie einen wertvollen Beitrag zur AufklĂ€rung bei. Danke Feli, fĂŒr all dein Engagement und deinen ehrlichen Artikel!

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